Börsen-Zeitung: Augen auf beim Bitcoin-Kauf

Von Fre­de­rik Alt­mann *)
Bör­sen-Zei­tung, 03.11.2021

Am Bit­co­in schei­den sich die Geis­ter. Wäh­rend der eine Markt­ex­per­te der meist­be­ach­te­ten Kryp­to­wäh­rung immer höhe­re Kurs­zie­le weit ins Sechs­stel­li­ge hin­ein zutraut, gibt es auf der ande­ren Sei­te nicht weni­ge, die den Wert eher Rich­tung 0 Dol­lar sehen. In die­sem Span­nungs­feld schwankt der Bit­co­in hef­tig. Erstaun­li­cher­wei­se kommt die Kryp­to­wäh­rung 2021 per sal­do kaum vom Fleck. Das zeigt der Blick auf die seit­wärts gerich­te­te 200-Tage-Linie als lang­fris­ti­ger Trend­in­di­ka­tor. Fakt ist, der Bit­co­in hat­te im Okto­ber sei­ne Rekord­jagd noch mal auf­ge­nom­men und ist um etwa 70 % nach oben gesprin­tet bis auf ein Hoch bei 66 980 Dol­lar. Auf Jah­res­sicht sum­mier­te sich das Plus so­gar auf etwa 500 %. Aktu­ell hat sich die Wäh­rung aber fest­ge­fah­ren und legt bei Kur­sen über 60 000 Dol­lar eine Atem­pau­se ein. Dabei lohnt sich ein Blick auf die Tech­nik, um zu sehen, wo wich­ti­ge Mar­ken lie­gen, an denen Anle­ger aktiv wer­den, und wohin die Rei­se dann geht.

Dass der Bit­co­in nach dem stei­len Anstieg erst mal kon­so­li­diert, ist nor­mal. Die­se Pha­se kann sich als Pau­se im Auf­wärts­trend ent­pup­pen, wie bei­spiels­wei­se im Janu­ar die­ses Jah­res, oder aber auch eine nach­hal­ti­ge Kor­rek­tur­be­we­gung nach sich zie­hen, wie im Mai.

Der MACD (unte­rer Chart) deu­tet markt­tech­nisch auf eine bevor­ste­hen­de Kor­rek­tur hin. Der Indi­ka­tor hat kurz nach dem Rekord­hoch des Bit­co­in sei­ne Signal­li­nie von oben nach unten durch­schnit­ten und damit ein Ver­kaufs­si­gnal gege­ben. Der MACD bil­det die Bewe­gung unter­schied­lich lan­ger glei­ten­der Durch­schnit­te (des durch­schnitt­li­chen Kur­ses über einen Zeit­raum) zuein­an­der ab. Ein kur­zer Durch­schnitt reagiert sen­si­bler auf eine Beschleu­ni­gung im Kurs­ver­lauf als ein lan­ger, so dass der Abstand zwi­schen den Lini­en bei stei­gen­der Kurs­dy­na­mik zunimmt (Diver­genz). Kühlt sich das Gesche­hen dage­gen ab, nähern sich auch die Lini­en wie­der ein­an­der an (Kon­ver­genz).

Beim Bit­co­in hat die Kurs­dy­na­mik abge­nom­men. Der posi­ti­ve Im­puls durch das neue Rekord­hoch, das in der tech­ni­schen Ana­ly­se ein klas­si­sches Kauf­si­gnal dar­stellt, konn­te die Wäh­rung im Okto­ber kaum noch beflü­geln. Das Vor­gän­ger­hoch von 64 900 Dol­lar wur­de mit plus 2 080 Dol­lar „für Bit­co­in-Ver­hält­nis­se“ kaum noch über­bo­ten. Statt­des­sen ist die Wäh­rung in die Wider­stands­zo­ne zwi­schen 59 600 und etwa 63 000 Dol­lar zu­rückgefallen. Hier wir­ken ver­gan­ge­ne Hoch­punk­te aus dem Früh­jahr und Som­mer die­ses Jah­res wie ein Brems­klotz auf den Kurs (Hori­zon­ta­len). Neur­al­gi­scher Punkt nach unten ist das jüngs­te Tief bei 57 690 Dol­lar. Rut­schen die Kur­se unter die­se Mar­ke, ist mit Anschluss­ver­käu­fen beim Bit­co­in zu rech­nen. Gewinn­mit­nah­men soll­ten sich ver­stär­ken. Die­se füh­ren den Kurs dann wahr­schein­lich auf sei­ne ers­te leich­te Unter­stüt­zung bei 52 950 Dol­lar am Sep­tem­ber-Hoch. Regel­mä­ßig wird der ers­te Hal­te­punkt aber zunächst ein­mal durch­schla­gen. Daher könn­te auch ein Test der 200-Tage-Line bei 45 200 Dol­lar anste­hen. Denn die 200-Tage-Linie als Hin­weis auf den lang­fris­ti­gen Trend wirkt oft wie ein Magnet auf die Kur­se, die regel­mä­ßig um die­sen Wert schwan­ken. Haben sich die Prei­se unge­wöhn­lich weit in die eine oder ande­re Rich­tung ent­fernt, bewe­gen sie sich im Anschluss oft wie­der auf die Linie zurück. Das zeigt nicht zuletzt der Bit­co­in-Ver­lauf im Som­mer. Am Rekord­hoch lag der Kurs fast 50 % über sei­nem lang­fris­ti­gen Schnitt. Das signa­li­siert Kor­rek­tur­be­darf bei der Kryp­to­wäh­rung.

Ob der Bit­co­in dage­gen zu einer neu­er­li­chen Rekord­jagd anset­zen kann, ent­schei­det sich aus tech­ni­scher Sicht am bis­he­ri­gen Hoch bei 66 980 Dol­lar. Kann er die­se Mar­ke hin­ter sich las­sen, wäre das ein neu­es kla­res Kauf­si­gnal als Vor­bo­te deut­lich höhe­rer Kur­se. Die der­zei­ti­ge Atem­pau­se der Kryp­to­wäh­rung hät­te dann gehol­fen, neue Kraft für einen wei­te­ren Sprint zu sam­meln.

Die aktu­el­le Kon­so­li­die­rung stün­de als „Flag­ge“ im fort­ge­setz­ten Auf­wärts­trend. Eine gegen den Ver­lauf geneig­te Seit­wärts­pha­se steht oft in der Mit­te einer Kurs­be­we­gung. Im Bit­co­in ist ein sol­ches Ver­hal­ten zum jüngs­ten Jah­res­wech­sel zu beob­ach­ten. Der be­schleunigte Anstieg seit Sep­tem­ber war von einer Kon­so­li­die­rungs­pha­se im Janu­ar unter­bro­chen wor­den, bevor im Febru­ar ein neu­er stei­ler Anstieg folg­te. Die­ser ver­dop­pel­te die initia­le Bewe­gung bis auf das Zwi­schen­hoch bei 58 500 Dol­lar. Auf die aktu­el­le Chart­la­ge über­tra­gen eröff­ne­te solch ein „mea­su­red move“ dem Bit­co­in beim Sprung über das alte Hoch ein rech­ne­ri­sches Anschluss­po­ten­zi­al bis gut 85 000 Dol­lar. Ein wei­te­res Argu­ment für Bit­co­in-Bul­len bie­tet die Sai­so­na­li­tät. In den ver­gan­ge­nen elf Jah­ren hat der Bit­co­in in acht Fäl­len einen klar posi­ti­ven Jah­res­aus­klang ver­zeich­net. Der Preis konn­te in die­sen Jah­ren im Novem­ber und Dezem­ber im Schnitt pro­zen­tu­al klar zwei­stel­lig zule­gen.

Chart­si­gna­le abwar­ten
All­ge­mein erar­bei­tet die tech­ni­sche Ana­ly­se Wahr­schein­lich­keits­aus­sa­gen. Die Fra­ge ist, wie reagie­ren Kur­se typi­scher­wei­se in be­stimmten Situa­tio­nen. Beim Bit­co­in heißt das, wenn der Preis ein neu­es Rekord­hoch erreicht, ist mit An­schlusskäufen in Rich­tung 85 000 Dol­lar zu rech­nen. Wenn dage­gen die Unter­stüt­zung bei 57 690 Dol­lar fällt, wird sich die Kryp­to­wäh­rung wahr­schein­lich in Rich­tung 200-Tage-Linie bei 45 200 Dol­lar bewe­gen. Im aktu­ell neu­tra­len Chart­bild soll­te sich somit Geduld loh­nen, bevor Anle­ger Neu­enga­ge­ments ein­ge­hen oder alte auf­lö­sen.

*) Fre­de­rik Alt­mann ist Invest­ment­ana­lyst bei Alpha Wertpapierhandel.


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