Von Frederik Altmann *)
Börsen-Zeitung, 14.07.2021
Autowerte haben sich im vergangenen Jahr außergewöhnlich gut entwickelt. Nun verliert der Europäische Branchenindex Stoxx 600 Automobiles &Parts aber an Spannung. Die charttechnischen Warnzeichen mehren sich. Im Chart kommt der Unterstützung bei etwa 600 Punkten in den kommenden Wochen eine Schlüsselfunktion zu. Vorsicht ist angebracht, auch wenn die Anleger ihre Aktien von BMW bis VW bisher noch nicht ganz abschreiben müssen.
In der jüngsten Korrekturbewegung vom Hoch bei 694 Punkten ging als erstes Schwächesignal des Index der mittelfristig beschleunigte Aufwärtstrend verloren. Die Kurse haben der steigenden, dünneren blauen Bewegung die Bestätigung durch einen dritten Auflagepunkt verwehrt. Stattdessen rutschten die Autowerte in einer zeitweise ausgeprägten Schwächephase durch diese erste Unterstützung, die seit Ende Oktober den dynamischen Kursanstieg untermauert hatte.
Signifikanter Widerstand
Am Mitte Juni erzielten Hoch von 694,24 Punkten fehlten dem europäischen Autoindex nur 0,05 Punkte, um den bisherigen Rekordstand vom März 2015 einstellen zu können. Anfang 2018 war der Index bereits bei 610 Zählern nach unten abgeprallt. Entsprechend signifikant ist der Widerstand, der auf diesem Niveau gegen steigende Kurse arbeitet.

Das kritische Chartbild wird auch durch eine Umkehrformation am Hoch verstärkt. Im Wochenchart schloss sich einer zunächst dynamisch erscheinenden Ausbruchbewegung Anfang Juni eine nur unentschlossene Phase an. Im Kerzenchart zeigt sich die neue Mutlosigkeit in einer Kerze mit kleinem Körper und langem Schatten. Konkret trieben weitere Anschlusskäufe die Kurse nach stabilem Wochenstart weiter nach oben, bevor das Kaufinteresse abnahm und Gewinnmitnahmen die Oberhand gewannen. Das ließ die Kurse ein paar Tage fallen, bevor der Index noch mal hochzuckte und schließlich nahe dem Wochenstart auch ins Wochenende ging. Unentschlossenheit, wohin die Kurse sich entwickeln sollen, bestimmte entsprechend diese Woche mit dem Hoch der Autowerte.
600 Punkte nächstes Ziel
Als nächstes Ziel für den Autoindex nach unten bieten sich 592 Punkte an. Solange dieses Niveau nicht gerissen wird, ist die Chart- Welt für Autowerte noch einigermaßen in Ordnung, wenn auch angeschlagen. Um 600 Punkte verläuft der steigende Trend seit dem Tief im März 2020. Hinzu kommt die ebenfalls steigende 200- Tage-Linie mit ihrer unterstützenden Wirkung. In der Regel schwanken die Kurse langfristig um diesen gleitenden Durchschnitts-Schlusskurs der letzten 200 Handelstage. Mit einer entsprechend stärker werdenden anziehenden Wirkung auf die Kurse, je weiter sich der Preis von seinem Durchschnittswert entfernt. Viele Anleger nutzen die Linie entsprechend diesem gleitenden Schnitt als Indikator für den langfristigen Trend.
Weiteres wichtiges Argument auf diesem Niveau ist das Zwischentief von Mitte Mai bei 592 Punkten. Den Extrempunkten einer (schnellen) Kursbewegung kommt in der technischen Analyse stets eine besondere Bedeutung zu. Sie zeigen Kursniveaus an, auf denen das Verhältnis von Angebot und Nachfrage gekippt ist und die zuvor schwächere Seite die Überhand gewinnt. So hat im Mai unter 600 Punkten im Stoxx-600-Autoindex der Verkaufsdruck so stark abgenommen, dass Schnäppchenjäger die Oberhand gewannen und mit ihren Käufen der Kurs wieder nach oben kletterte.
Unter 592 Punkten wären hingegen die Trendunterstützungen gebrochen, und mit dem neuen Zwischentief im Index würde technisch ein klassisches Verkaufssignal generiert. Anleger müssten trotz des ermäßigten Kursniveaus mit Anschlussverkäufen rechnen, bis an einem weiteren lokalen Tief ein neuer Gleichgewichtspreis gefunden wird.
Die Bullen könnten dagegen erst wieder über 694,3 Punkten durchatmen. Mit einem neuen Rekord würde ein entsprechendes frisches Kaufsignal ausgesendet und das Chartbild bereinigt. In diesem umgekehrten Szenario sollte ein neues Hoch frisches Kaufinteresse entfachen. Technisch wäre so lange mit ausreichendem Kaufinteresse zu rechnen, bis die neue Höherbewertung abgeschlossen ist. Ein Ziel wäre dann die Rückkehrlinie bei dann vielleicht 750 Punkten.
Verkaufssignal
Dieses Gegenszenario halten wir in der aktuellen technischen Konstellation mit den genannten Warnhinweisen allerdings für deutlich unwahrscheinlicher im Vergleich zum Korrekturtrend. Denn auch die Markttechnik ist aktuell entsprechend negativ zu werten. Der MACD-Indikator, der den Verlauf unterschiedlicher gleitender Durchschnitte zueinander verbildlicht, hat mit dem Schnitt der pinken Signallinie von oben ein Verkaufssignal gegeben.Alarmierend ist bei dem Marktindikator auch die jüngst ausgebildete Divergenz von Kursverlauf und MACD-Indikator. Während der Stoxx-600-Automobiles-Index ein neues Rekordhoch erreicht hat, konnte der MACD dieses Top nicht mehr mit einem eigenen neuen Hoch bestätigen. Solche Divergenzen kündigen oft eine nachhaltige Trendwende an. Somit ist Vorsicht bei Europas Autowerten angebracht.
*) Frederik Altmann ist Investmentanalyst bei Alpha Wertpapierhandel.