Börsen-Zeitung: Dividendentitel vom Paulus zum Saulus

Von Fre­de­rik Alt­mann *)
Bör­sen-Zei­tung, 22.9.2021

Im Umfeld stei­gen­der Zin­sen ver­lie­ren Divi­den­den­wer­te die Gunst der Anle­ger. Das zeigt sich aktu­ell im Div­Dax. Der Index spie­gelt die Kurs­ent­wick­lung der 15 deut­schen Stan­dard­wer­te mit der höchs­ten Divi­den­den­ren­di­te wider. Er ent­hält u. a. die gro­ßen Ver­sor­ger, Auto­wer­te, Ver­si­che­rer und Che­miet­i­tel. Aus tech­ni­scher Sicht ist der Index für die tra­di­tio­nell beson­ders divi­den­den­star­ken Dax-Titel nun aber deut­lich ange­schla­gen.

Zum Beginn des zwei­ten Quar­tals war der Div­Dax zwar auf einen neu­en Rekord über 195 Punk­te gestie­gen. Letzt­end­lich ging aber die Auf­wärts­dy­na­mik bereits zu die­sem Zeit­punkt ver­lo­ren. Die Kur­se muss­ten ihren lang­fris­ti­gen Auf­wärts­trend dann im Juli auf­ge­ben und fie­len zur Sei­te aus ihrer posi­ti­ven Bewe­gung her­aus. Zuvor hat­te sich die Trend­li­nie vom „Coro­na­tief“ im März 2020 über das Okto­ber­tief im Vor­jahr bis zu den Kur­sen von Anfang Juli gezogen.

Ins­ge­samt beweg­te sich der Index seit­dem in einer engen Span­ne mit der Unter­gren­ze von 184 nur noch seit­wärts. Der Wider­stand an den his­to­ri­schen Hochs um 189 Punk­te erwies sich letzt­lich als zu stark. In die­ser Woche rutsch­te der Div­Dax dann mit einem neu­en Zwi­schen­tief seit Juli aus dem Kanal nach unten her­aus. Mit die­ser jüngs­ten Schwä­che wur­de aus tech­ni­scher Sicht ein neu­es Ver­kaufs­si­gnal im Div­Dax gege­ben. Dabei rutsch­ten die Kur­se erst­mals seit Okto­ber auch wie­der unter die 200-Tage-Linie. Die­ser von vie­len Anle­gern beach­te­te glei­ten­de Durch­schnitt der Kur­se der ver­gan­ge­nen 200 Tage dient als ein Indi­ka­tor für den lang­fris­ti­gen Trend. Der ist beim Div­Dax zwar noch auf­wärts­ge­rich­tet, flacht sich aber ab und droht zu dre­hen. Regel­mä­ßig schwan­ken die Kur­se um die­se Linie. Dem­entspre­chend könn­ten sie sich nun erst mal von der Linie wei­ter nach unten abset­zen.

Eine ers­te Unter­stüt­zung für die Kur­se ist aller­dings auch schon um 176 Punk­te zu erwar­ten, an den Hochs von Ende 2019. Eine nächs­te Hori­zon­ta­le bei 164 Zäh­lern bie­tet wei­te­ren Halt im nega­ti­ven Sze­na­rio. Extrem­punk­te im Kurs­ver­lauf mar­kie­ren regel­mä­ßig Wider­stän­de und Unter­stüt­zun­gen für künf­ti­ge Preis­ni­veaus, denn an die­sen Punk­ten kam es in der Ver­gan­gen­heit zu einer signi­fi­kan­ten Umkehr von Ange­bot und Nach­fra­ge.

Sehr kräf­ti­ge Unter­stüt­zung wäre dann – als aus heu­ti­ger Sicht maxi­ma­les Kor­rek­tur­ri­si­ko – bei rund 147 zu erwar­ten. Einer aus­ge­präg­ten Schwä­che des Div­Dax wür­de sich hier ein Bün­del aus Argu­men­ten gegen wei­ter fal­len­de Kur­se ent­ge­gen­stel­len. Neben eini­gen Kur­stiefs in der Ver­gan­gen­heit kommt eine Fibo­nac­ci-Unter­stüt­zung hin­zu. Die­se Theo­rie geht davon aus, dass star­ke Kurs­be­we­gun­gen spä­ter zu bestimm­ten Pro­zent­sät­zen kor­ri­giert wer­den. Bei einem Rück­fall auf 146 wären 50 % des Anstiegs vom „Coro­na­tief“ bis zum Rekord­hoch kor­ri­giert.

Ein zusätz­li­ches Warn­si­gnal gibt eine Diver­genz der chart­tech­ni­schen Ent­wick­lung gegen­über der markt­tech­ni­schen Signal­la­ge. Der MACD-Index (Moving Avera­ge Convergence/Divergence) zeich­net das Ver­hält­nis zwei­er glei­ten­der Durch­schnit­te mit kur­zer und mit­tel­fris­ti­ger Lauf­zeit zuein­an­der nach. Bei nach­las­sen­der Kurs­dy­na­mik holt der län­ger­fris­ti­ge und schwer­fäl­li­ge­re lang­lau­fen­de ge­gen­über dem reagi­ble­ren, kur­zen Durch­schnitt auf. Die Lini­en kon­ver­gie­ren, und die MACD-Linie beginnt zu fal­len, bis es an der Null­li­nie zum Schnitt der Lini­en kommt. Ein markt­tech­ni­sches Ver­kaufs­si­gnal hat­te der Div­Dax auf Wochen­ba­sis bereits im Mai mit dem Schnitt der Signal­li­nie durch die MACD-Linie von oben nach unten gege­ben. In der Regel muss die Markt­tech­nik die Bewe­gung des Charts ohne­hin bestä­ti­gen. Ein neu­es Hoch im Kurs muss dem­nach auch von einem neu­en Hoch im Markt­tech­nik-Indi­ka­tor unter­mau­ert wer­den. Ansons­ten soll­ten Anle­ger vor­sich­tig wer­den. Beim Sprung des Div­Dax auf einen neu­en Rekord ist dies aus­ge­blie­ben. Der MACD konn­te das Top nicht mehr mit einem eige­nen neu­en Hoch bestä­ti­gen. Er beweg­te sich ent­spre­chend im Juni beim Rekord-Anstieg des Index auf einem nied­ri­ge­ren Niveau als noch zum gemein­sa­men Hoch im April. Eine sol­che Diver­genz zwi­schen Chart und Tech­nik mahnt zur Vor­sicht. Diver­gen­zen sind oft ein zuver­läs­si­ges Signal für einen bevor­ste­hen­den Trend­wech­sel.

Attrak­ti­vi­tät schwin­det
Das tech­nisch ange­schla­ge­ne Bild des Div­Dax passt auch zum fun­da­men­ta­len Rah­men. Welt­weit stei­gen die Zin­sen lang­sam, aber merk­lich an. Vie­le Anle­ger hat­ten ihren Ren­dite­hun­ger in Zei­ten nega­ti­ver Anlei­he­zin­sen noch über den Kauf von Divi­den­den­ti­teln gestillt. Mit stei­gen­den Zin­sen sinkt aber deren Attrak­ti­vi­tät im Ver­gleich zu Anlei­hen. Die ren­di­te­star­ken Akti­en gera­ten aus dem Fokus. Zumal bei Akti­en wegen des höhe­ren Kurs­ri­si­kos ein Risi­ko­ab­schlag ange­nom­men wer­den muss. Zins­pa­pie­re bie­ten ent­spre­chend wie­der mehr und mehr eine Alter­na­ti­ve. Soll­ten die Zin­sen jedoch wie­der sin­ken, steigt im Gegen­zug wie­der die Attrak­ti­vi­tät von Akti­en im All­ge­mei­nen und von Divi­den­den­pa­pie­ren im Spe­zi­el­len. Im Div­Dax-Chart wür­de sich die­ses Gegen­sze­na­rio mit einem neu­en Rekord­hoch über 196 Punk­ten mani­fes­tie­ren. Das nega­ti­ve Chart­bild wür­de dann negiert. Aus tech­ni­scher Sicht wird mit einem neu­en Rekord auch ein neu­es Kauf­si­gnal gene­riert. Das wür­de wei­te­res Kauf­in­ter­es­se der Anle­ger nach sich zie­hen. Ent­spre­chend soll­ten die Bären ihre Posi­ti­on mit Stop-Buy-Orders auf die­sem Niveau absi­chern.

*) Fre­de­rik Alt­mann ist Invest­ment­ana­lyst bei Alpha Wertpapierhandel.


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