Boersen-Zeitung: Gold befindet sich in einer Renaissance

Von Fre­de­rik Alt­mann *)
Bör­sen-Zei­tung, 2.3.2022

Der Gold­preis hat sich in den ver­gan­ge­nen zehn Jah­ren im Ver­gleich zum atem­be­rau­ben­den Anstieg nach der Jahr­tau­send­wen­de kaum bewegt. Die aktu­el­len Kur­se mäan­dern wie­der um das ehe­ma­li­ge Rekord­hoch, das im Sep­tem­ber 2011 bei 1 920 Dol­lar pro Fein­un­ze die dama­li­ge Hausse been­det hat­te. Die tech­ni­sche Lage bei Gold hat sich aber zuletzt wie­der deut­lich ver­bes­sert. Das könn­te der Vor­bo­te einer Renais­sance bei Gold sein und einen län­ger­fris­ti­gen Preis­an­stieg nach sich zie­hen.

Zwei Hür­den im Blick
Die tra­di­tio­nel­le Rol­le von Gold als siche­rer Hafen erlangt lei­der ange­sichts der schlim­men geo­po­li­ti­schen Lage wie­der mehr Bedeu­tung. Das Edel­me­tall ist nun wie­der in aller Mun­de. Hin­zu kom­men deut­lich nega­ti­ve Real­ren­di­ten in den wich­tigs­ten Indus­trie­staa­ten und auch star­ke Preis­an­stie­ge bei den Roh­stof­fen ganz all­ge­mein als fun­da­men­ta­le Grün­de für eine Erwar­tung stei­gen­der Gold­prei­se. Gelingt nun auch tech­nisch der Aus­bruch über zwei grö­ße­re Hür­den nach oben, dann kön­nen Anle­ger mit erheb­li­chem wei­te­ren Poten­zi­al bei dem gel­ben Metall rechnen.

Seit drei­ein­halb Jah­ren bewegt sich der Gold­preis wie­der auf­wärts, nach­dem er zuvor eine rund fünf­jäh­ri­ge Seit­wärts­be­we­gung hin­ge­legt hat­te, in der die Kor­rek­tur vom vor­ma­li­gen Rekord­hoch ver­daut wor­den war. Nach­dem Gold dann im August ver­gan­ge­nen Jah­res auf einen Rekord von 2 072 Dol­lar gestie­gen war, leg­te das gel­be Metall erneut eine etwas klei­ne­re Ver­schnauf­pau­se ein. Dabei erwies sich die Mar­ke von 1 676 Dol­lar mehr­fach als soli­de Unter­stüt­zung. Die Erho­lungs­be­we­gun­gen schlu­gen in der Fol­ge immer weni­ger stark nach oben aus, so dass sich eine Drei­ecks­for­ma­ti­on aus­ge­bil­det hat. Die­se konn­te der Gold­preis zuletzt nach oben ver­las­sen.

Erwar­tun­gen geschürt
In der Regel stel­len sol­che Drei­ecke in der tech­ni­schen Ana­ly­se dyna­mi­sche For­ma­tio­nen dar. Aktu­ell schürt das Erwar­tun­gen nach oben. Auch wenn Gold der­zeit noch mit dem wich­ti­gen Wider­stand bei 1 920 Dol­lar durch das vor­ma­li­ge Rekord­hoch aus dem Sep­tem­ber 2011 kämpft. Danach war­tet eine wei­te­re har­te Nuss auf dem Weg nach oben bei 2 072 Dol­lar am jüngs­ten Rekord vom August. Wer­den die­se Hür­den über­sprun­gen, ist der Weg nach oben für Gold frei.

Tech­nisch ste­hen die Chan­cen gut für den Sprung auf ein Rekord­hoch. Ein ers­tes Kurs­ziel nach oben ergibt sich dann direkt aus der Drei­ecks­kon­so­li­die­rung bei 2 243 Dol­lar. Die­ses Ziel errech­net sich aus der Höhe der For­ma­ti­on von 396 Dol­lar, vom Aus­bruchs­punkt bei 1 847 Dol­lar nach oben abge­tra­gen.

Anstieg hat noch Luft
Das dürf­te aber noch nicht das Ende eines erneu­ten Anstiegs dar­stel­len. Für die Berech­nung eines zwei­ten Preis­ziels für Gold kann man die hier zuvor schon bespro­che­nen Fibo­nac­ci-Pro­jek­tio­nen nut­zen. Der Theo­rie des ita­lie­ni­schen Mathe­ma­ti­kers zufol­ge wer­den star­ke Kurs­be­we­gun­gen in be­stimmten Rela­tio­nen kor­ri­giert. Nach einer Kor­rek­tur gibt es in die­ser Theo­rie auch Annah­men über eine regel­mä­ßi­ge Aus­wei­tung von Impuls­be­we­gun­gen. Hier­nach las­sen sich Kurs­zie­le auch im „Unchar­ted Ter­ri­to­ry“, also auf bis­her un­erreichten Niveaus, berech­nen. Nutzt man bei Gold den ein­jäh­ri­gen Anstieg ab August 2018 als Impuls­be­we­gung für den fol­gen­den Auf­wärts­trend, dann lei­tet sich an der Pro­jek­ti­on von 261,8 % bei 2 478 Dol­lar ein nächst­hö­he­res Ziel ab.

Ein wei­te­rer Anlauf­punkt ergibt sich aus der gesam­ten Auf­wärts­be­we­gung vom 2018 erreich­ten Tief bis zum Rekord­hoch zwei Jah­re spä­ter. Denn eine Kon­so­li­die­rungs­be­we­gung in Form des oben erläu­ter­ten (oran­ge­nen) Drei­ecks steht regel­mä­ßig in der Mit­te einer Gesamt­be­we­gung. Gold ver­teu­er­te sich von 2018 bis 2020 in der Spit­ze um 912 Dol­lar. Rech­net man die­sen Anstieg zur Kon­so­li­die­rungs­un­ter­gren­ze bei 1 676 Dol­lar dazu, ergibt sich ein Kurs­ziel von 2 588 Dol­lar. Eine sol­che Ver­dopp­lung einer Trend­be­we­gung nennt man in der tech­ni­schen Ana­ly­se „Mea­su­red Move“.

Lang­fris­ti­ges Poten­zi­al
Kann Gold die aktu­ell tech­nisch posi­ti­ve Aus­gangs­la­ge nut­zen und Rekord­stän­de errei­chen, dann könn­te lang­fris­tig aber sogar noch mehr Kurs­po­ten­zi­al in dem Edel­me­tall ste­cken. Betrach­tet man die fast zehn­jäh­ri­ge Gesamt­be­we­gung zwi­schen den bei­den jüngs­ten Re­kordhochs, kann die­se als soge­nann­te „Tas­se mit Henkel“-Formation in­terpretiert wer­den. Gelingt also der Anstieg auf Rekord­ni­veaus, ergibt sich hier­aus enor­mes wei­te­res Poten­zi­al auf Sicht der kom­men­den Jah­re. Die­se oft über Jah­re gestreck­te Kon­so­li­die­rungs­for­ma­ti­on erhält ihren Namen aus der nach unten gewölb­ten Seit­wärts­be­we­gung in Form einer Tas­se. Sie ende­te mit einem Rekord. Der anschlie­ßen­de Rück­schlag mit einer klei­nen Atem­pau­se bil­det dann den ent­spre­chen­den Hen­kel ab. Ein neu­er­li­cher Rekord kann dann die Gesamt­be­we­gung nach oben auf­lö­sen. Sta­tis­ti­schen Unter­su­chun­gen von Tho­mas Bul­kow­ski zufol­ge bie­tet die­se For­ma­ti­on eine durch­schnitt­li­che Ren­di­te von 54 %, bei gleich­zei­tig gerin­ger Feh­ler­quo­te. Dem­nach kön­nen dem Edel­me­tall aus tech­ni­scher Sicht durch­aus wie­der sehr gol­de­ne Zei­ten bevor­ste­hen.

*) Fre­de­rik Alt­mann ist Invest­ment­ana­lyst bei Alpha Wertpapierhandel.


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