Börsen-Zeitung: Reisewerte können wieder fliegen

Von Fre­de­rik Alt­mann *)
Bör­sen-Zei­tung, 05.1.2022

Rei­se- und Frei­zeit­wer­te haben in den ver­gan­ge­nen zwei Jah­ren beson­ders stark unter den Ein­schrän­kun­gen wegen der Pan­de­mie gelit­ten. Ent­spre­chend stark ist der Bran­chen­in­dex Sto­xx Euro­pe 600 Tra­vel & Lei­su­re (SXTP) zeit­wei­se unter Druck gera­ten. Der Index ist ein guter Seis­mo­graf für die Erwar­tun­gen über die wei­te­re Ent­wick­lung der Pan­de­mie. So brach er Ende Febru­ar 2020, als sich erst­mals das Aus­maß der Virus­ver­brei­tung abge­zeich­net hat­te, in nur vier Wochen um bis zu 57 % ein. In den fol­gen­den fünf Quar­ta­len kämpf­te sich der Rei­se- und Frei­zeit­wer­te-Index dann sogar wie­der über sein Vor-Coro­na-Niveau zurück, bevor die Omi­kron-Vari­an­te einen neu­en Kurs­rutsch brach­te.

Der Chart des Index signa­li­siert mitt­ler­wei­le eine ent­spann­te­re Sicht der Bör­sia­ner auf die Pan­de­mie­la­ge. Tech­nisch haben Rei­se­ak­ti­en nach dem Omi­kron-Rutsch wie­der gute Erho­lungs­chan­cen. Im Ver­gleich zum Gesamt­markt, der sei­ne Vor-Coro­na-Stän­de bereits deut­lich hin­ter sich gelas­sen hat, besteht ohne­hin Aufholpotenzial.

Unterstützung hält

In der jüngs­ten Kor­rek­tur hat die Unter­stüt­zung für den SXTP um 206 Punk­te gehal­ten. Der Index konn­te sich hier sta­bi­li­sie­ren und im Anschluss erho­len. Dabei hat ein Fibo­nac­ci-Kor­rek­tur­ni­veau ent­scheidend gehol­fen. Auf Basis der Zah­len­rei­he des ita­lie­ni­schen Mathe­ma­ti­kers Leo­nar­do da Pisa (Fibo­nac­ci genannt) rech­nen tech­ni­sche Ana­lys­ten damit, dass star­ke Trend­be­we­gun­gen wahr­schein­lich im Anschluss zu bestimm­ten Pro­zent­sät­zen kor­ri­giert wer­den. Im Hin­ter­grund steht die Theo­rie des Gol­de­nen Schnitts, in der grob gespro­chen Drit­tel­re­la­tio­nen be­sondere Bedeu­tung haben.

Nach der stei­len Erho­lung des Index von August 2020 bis April 2021 von 157 auf 287 Punk­te hat er 61,8 % sei­nes Anstiegs kor­ri­giert auf 206,56 Zäh­ler. Solch ein Rück­schlag wird oft als „maxi­ma­les Kor­rek­tur­ziel“ ange­nom­men. Eini­ge sehen auch die Mar­ke von 76,4 % als „Last Line of Defen­se“ an. Hal­ten die­se Kor­rek­tur­ni­veaus nicht, so müs­sen sich Anle­ger dar­auf ein­stel­len, dass eine Bewe­gung ganz, also zu 100 %, zurück­ge­nom­men wird.

Die Signi­fi­kanz von Fibo­nac­ci-Niveaus zeigt sich bereits im vor­her­ge­hen­den Rück­schlag bis auf 237,34 Zäh­ler. Hier waren 38,2 % des Anstiegs – die Mini­mal­kor­rek­tur – ein­ge­holt, bevor sich der Index wie­der in Rich­tung Erho­lungs­hoch bewe­gen konn­te. Mit der spä­ter auf­kom­men­den Angst um Omi­kron erwies sich die­se Mini­mal­kor­rek­tur aber als unzu­rei­chend, und der Index tes­te­te doch noch sei­nen grö­ße­ren Kor­rek­tur­um­fang.

Bei 206 liegt zudem eine hori­zon­ta­le Hal­te­li­nie. Sie gibt dem wich­ti­gen Kurs­ni­veau wei­te­re Rele­vanz. Die zusätz­li­che Unter­stüt­zung re­sultiert aus eini­gen Spit­zen und Tiefs im Kurs­ver­lauf zum Jah­res­wech­sel 2020/2021, nach­dem der Index auf dem Level zunächst Pro­ble­me hat­te sich nach oben durch­zu­set­zen. Dar­un­ter liegt zudem eine mehr­fa­che Unter­stüt­zung bei 200 Punk­ten, die zudem eine psy­cho­lo­gisch wich­ti­ge Mar­ke dar­stellt. Das Niveau ist in der jüngs­ten Kor­rek­tur aber gar nicht mehr getes­tet wor­den, was auch leicht posi­tiv wirkt.

Die erst etwas zöger­li­che, aber dann an Dyna­mik gewin­nen­de Auf­wärts­be­we­gung der letz­ten Wo­chen bekräf­tigt das posi­ti­ve Bild einer soli­den Boden­bil­dung. Zu­letzt zeig­te sich eine Out­side For­ma­ti­on im Wochen­start (rote Ellip­se). Die­se umschließt die vor­her­ge­hen­de, klei­ne und weni­ger über­zeu­gen­de Ker­ze voll­kom­men und gibt damit ein bul­lishes Signal. Betrach­tet man den Monatschart, bohrt sich damit eine lan­ge wei­ße Ker­ze in die vor­he­ri­ge schar­fe Kor­rek­tur hin­ein und gleicht die­se zu gro­ßen Tei­len wie­der aus. Lan­ge wei­ße Ker­zen sind im Cand­le­stick-Chart ein Signal posi­ti­ver Dyna­mik. Sie zei­gen im Zeit­raum deut­lich stei­gen­de Kur­se. Klei­ne Ker­zen dage­gen brin­gen mehr Unent­schlos­sen­heit zum Aus­druck. So zeig­te die klei­ne schwar­ze Ker­ze am Kor­rek­tur­tief, dass der Markt „nicht mehr wei­ter run­ter woll­te“.

Die Fibo­nac­ci-Regeln kön­nen nicht nur auf Kor­rek­tur­ni­veaus ange­wen­det wer­den. Aus einer regel­kon­for­men Kurs­ent­wick­lung las­sen sich über die Fibo­nac­ci-Pro­jek­tio­nen auch wahr­schein­li­che Kurs­zie­le für den künf­ti­gen Ver­lauf ermit­teln. Legt man die Fibo­nac­ci-Pro­jek­tio­nen an den oben beschrie­be­nen Kurs­ver­lauf an, kann man hier­aus ein ers­tes Kurs­ziel von 336 ablei­ten. Denn oft­mals wird die Ursprungs­be­we­gung im Anschluss an eine regel­mä­ßi­ge Kor­rek­tur noch mal nach oben pro­ji­ziert. Aus­ge­hend vom Zwi­schen­tief bei 205,86 errech­net sich beim erneu­ten Anstieg um gut 130 Punk­te die Län­ge der Ursprungs­wel­le. Das ent­spre­chen­de Ziel lau­tet somit 336. Im Hin­ter­grund der Fibo­nac­ci-Pro­jek­tio­nen steht auch die Elliott-Wel­len-Theo­rie, die pro­zen­tua­le Erwei­te­run­gen ent­spre­chend erwar­ten lässt. Dem­nach wären sogar noch höhe­re Kur­se wahr­schein­lich. Einer ers­ten Auf­wärts­wel­le mit Kor­rek­tur folgt nach die­ser Theo­rie eine län­ge­re, zwei­te Auf­wärts­be­we­gung. Dem­nach ist regel­mä­ßig eine Erwei­te­rung des initia­len Anstiegs um 161,8 % zu erwar­ten. Das wären 416,88 Zäh­ler im Index.

Nach zwei sehr schwe­ren Jah­ren im Rei­se- und Frei­zeit­sek­tor gibt es aus tech­ni­scher Sicht nun wie­der posi­ti­ve­re Signa­le für die Akti­en. Das zeigt auch Hoff­nung der Bör­sia­ner, dass die Pan­de­mie in die­sem Jahr erheb­lich ein­ge­dämmt bzw. hin­ter uns gelas­sen wer­den kann. Wenn das gelingt, könn­ten die Akti­en von Tui bis Luft­han­sa und auch Unter­hal­tungs­ti­tel wie CTS Even­tim zu den Favo­ri­ten zäh­len.

*) Fre­de­rik Alt­mann ist Invest­ment­ana­lyst bei Alpha Wertpapierhandel.


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