Das Volume Profile visualisiert die treibende Kraft hinter einer Bewegung: dem Volumen. Das Volume Profile ist kein Indikator, denn Indikatoren sind eine mathematische Ableitung vom Preis. Ziel ist es bei der Verwendung vom Volume Profile, das Timing beim Öffnen und Schließen der Positionen zu verbessern.
Bei einem klassischen Chart wird das Volumen in einem separaten Indikatorenfenster als Histogramm dargestellt. Dabei entspricht ein Balken des Histogramms der definierten Zeiteinheit, zum Beispiel einem Tag oder 1 Stunde. Das Volumen wird also mit der Zeit verankert. Mit einem Blick lässt sich erkennen, wie viel Umsatz an diesem Tag oder zu dieser Stunde stattgefunden hat. So einen klassischen Chart sehen Sie in Abbildung 1. Abgebildet ist der FDAX vom 03.06.2019 – 30.12.2019 im Tageschart. Das untere Indikatorenfenster zeigt den täglichen Umsatz als Histogramm an.
Beim Volume Profile hingegen wird das gehandelte Volumen mit dem Preis verankert. Das Volumen wird auch nicht auf der X-Achse = Zeitachse, abgetragen, sondern auf der Y-Achse = Preisachse. Die Balken des Volumen-Histogramms verlaufen dementsprechend waagerecht und zeigen an, wie viel Umsatz zu einem bestimmten Preis getätigt worden ist. In Abbildung 2 sehen Sie den FDAX im Zeitraum vom 03.06.2019 – 30.12.2019 im Tageschart. Das blaue Histogramm an der Y-Achse zeigt das Volume Profile, also das gehandelte Volumen bezogen auf den entsprechenden Preis – und zwar als aggregiertes Volume Profile über die gesamten 7 Monate. Dabei ist es unerheblich, ob als Basis ein Tageschart oder ein Wochenchart verwendet wird, das Volume Profile sieht konstruktionsbedingt immer gleich aus. Zu sehen in den Abbildungen 2 und 3, diese beiden Charts unterscheiden sich nur in der Zeiteinheit: Abbildung 2 ist ein Tageschart, Abbildung 3 ein Wochenchart. Das Histogramm des Volume Profile ist identisch.
Für welche Märkte eignet sich das Volume Profile?
Sie können das Volume Profile für alle Märkte anwenden, wo Sie auch echtes, real gehandeltes Volumen haben. Das sind in der Regel börsennotierte Werte. Wie zum Beispiel börsennotierte Aktien oder Futures auf Rohstoffe, Indizes oder Währungen. Die „FOREX“ eignet sich nicht für Volume Profile, denn vom Interbankenhandel bekommen Sie keine Umsätze. Bei Währungen müssen Sie also auf die Währungs-Futures zurückgreifen.
Terminologie
… in Abbildung 4 visualisiert:
- Point of Control = POC: Der Preis mit dem höchsten gehandelten Volumen im gewählten Zeitraum. Der POC (in rot) hat den längsten horizontalen Balken des Betrachtungszeitraums und stellt somit den Preis mit der größten Handelsaktivität des Tages dar. Der POC stellt den „fair value“ = den fairen Preis des Tages dar, denn an diesem Preis haben die meisten Käufe und Verkäufe stattgefunden. Im Laufe des Handelstages mäandert der POC dynamisch durch das sich entwickelnde Volume Profile.
- Naked POC: Ein POC, der am nachfolgenden Tag / den nachfolgenden Perioden noch nicht berührt / durchgehandelt wurde.
- Value Area: Das ist der dunkelblaue Bereich in den Charts. Ausgehend von der Standardnormalverteilung ist das 1 Standardabweichung (= 1 σ) des gehandelten Volumens um den POC. In der Regel sind im Charttool 70% eingestellt (exakt sind es 68,3%).
- Value Area High = VAH: Die Oberkante der Value Area.
- Value Area Low = VAL: Die Unterkante der Value Area.
- Der hellblaue Bereich in den Charts: vom VAH zum Tageshoch und vom VAL zum Tagestief.
- VAAH = Value Area Absolute High = Tageshoch
- VAAL = Value Area Absolute Low = Tagestief
- Price Range: Gesamte Handelsspanne des Tages.
- Low Volume Node = LVN: Ein Preis mit sehr wenig Volumen (= Volumental), wobei darüber und darunter deutliche Volumen-Cluster ausgebildet sein müssen. Der Preis in so einem Volumental wurde von den Marktteilnehmern abgelehnt (Rejection), da er schnell durchgehandelt wurde.
- High Volume Node = HVN: Das sind die Volumencluster mit hohem Volumen, jedoch weniger Volumen als am POC. Dieser Preis wurde von vielen Marktteilnehmern akzeptiert und zeigt eine Konsolidierung an.
- Close: Der Schlusskurs des Tages. Hat als Referenz für den folgenden Tag eine spezielle Bedeutung in Bezug auf die Frage: Hat sich das Sentiment geändert?
Der POC, die LVNs, HVNs – also die Volumen-Cluster und die Volumentäler – und auch die VAHs und VALs vom Vortag (beziehungsweise von den betrachteten Vor-Perioden) bilden Widerstände und Unterstützungen aus.
Volume Profile Pattern
Je nachdem, wie sich das Volumen über die Handelsspanne verteilt, bilden sich unterschiedliche Pattern = Muster aus. Es werden 4 Grundmuster unterschieden. In Abbildung 5 ist der FDAX vom 02.01. – 10.01.2020 im Stundenchart mit einem Daily Volume Profile abgebildet. In diesen 6 Handelstagen wurden: P – b – Thin – D – Thin - P – Pattern ausgebildet. Die 4 Grundmuster werden nicht immer in Reinform ausgebildet, Mischformen machen manchmal die Zuordnung schwer. Je nachdem, wo der POC und auch der Schlusskurs ausgebildet werden, ist so ein Pattern dann eher bullish, eher bearisch oder neutral einzuschätzen.
Die 4 Grundmuster sind:
D-Profile: Dieses Pattern hat die Form eines großen „D“. Bei einem D-Profile ist der Markt ausgeglichen, er ist in Balance, der POC liegt ungefähr in der Mitte der Handelsspanne und es wurde auch eine relativ ideale Gaußsche Glockenkurve drumherum ausgebildet. Käufer und Verkäufer agierten ausgeglichen, keine der beiden Seiten versuchte die andere zu dominieren oder startete aggressive Aktionen. Bei einem D-Profile kann davon ausgegangen werden, dass institutionelle Anleger akkumulierten ohne großes Aufsehen zu erregen.
Die drei wichtigen Zonen in einem D-Profile sind:
- das Hoch des D-Profile
- das Tief des D-Profile und
- der POC
Bei einem D-Profile sind die Preise um das Hoch und Tief des Profils starke Unterstützungs- und/oder Widerstandszonen. Oftmals treten am Folgetag aggressive Käufer am Tief und aggressive Verkäufer am Hoch des Profils auf. Denn: die Käufer wollen ihre am Vortag kumulierten Long-Positionen und die Verkäufer wollen ihre am Vortag kumulierten Short-Positionen in den Gewinn bringen.
Countertrend-Trader können das Vor-Tageshoch shorten und das Vor-Tagestief longen. Der Take Profit wird beim D-Profile am POC empfohlen.
P-Profile: Dieses Pattern hat die Form eines großen „P“. Bei einem P-Profile sind aggressive Käufer bei der Arbeit und die Verkäufer sind schwach. In der Regel werden bullische Candles ausgebildet. Der POC wird am oberen Ende der Handelsspanne ausgebildet. So ein P-Profile wird in der Regel ausgebildet, wenn sich
- der Markt in einem Aufwärtstrend befindet, oder
- am Ende eines Abwärtstrends und eine Trendwende anstehen könnte.
Steigt der Markt am Folgetag oder an den Folgetagen, dann bildet der POC vom P-Profile eine gute Unterstützung. Oft wird der POC (von oben) erneut getestet, sodass Long-Positionen neu eröffnet oder aufgestockt werden können.
Volumen-Cluster im dünnen Bereich des Profils sind oft Zeichen von aggressiven Käufern, die den Markt an diesen Preisen massiv nach oben gekauft haben … aber auch Shortseller haben ihre Positionen geschlossen. Kommen die Preise (von oben) zu diesen Level zurück, dann werden die Käufer diese Unterstützung verteidigen und den Markt wieder hoch kaufen.
b-Profil: Dieses Pattern hat die Form eines kleinen „b“. Bei einem b-Profil sind aggressive Verkäufer bei der Arbeit und die Käufer sind schwach. In der Regel werden bearische Candles ausgebildet. Der POC wird am unteren Ende der Handelsspanne ausgebildet. So ein b-Profile wird in der Regel ausgebildet, wenn sich
- der Markt in einem Abwärtstrend befindet oder
- am Ende eines Aufwärtstrends und eine Trendwende anstehen könnte.
Fällt der Markt am Folgetag oder an den Folgetagen, dann bildet der POC vom b-Profile einen guten Widerstand. Oft wird der POC (von unten) erneut getestet, sodass Short-Positionen neu eröffnet oder aufgestockt werden können.
Volumen-Cluster im dünnen Bereich des Profils sind oft Zeichen von aggressiven Verkäufern, die den Markt an diesen Preisen massiv nach unten verkauft haben … aber auch „Longies“ haben ihre Positionen geschlossen. Kommen die Preise (von unten) zu diesen Level zurück, dann werden die Verkäufer diese Widerstände verteidigen und den Markt wieder verkaufen.
I-Profile oder Thin-Profile: ein „dünnes“ I-Profil wird in der Regel in einem starken Aufwärtstrend oder starken Abwärtstrend ausgebildet. Das Profil ist dünn, weil der Markt entweder sehr aggressiv nach oben gekauft oder nach unten verkauft wurde. Da bleibt wenig Zeit für Volumenakkumulation, denn der Markt „rennt“ geradezu in eine Richtung. Es werden einige Volumen-Cluster ausgebildet, jedoch ohne einen signifikanten POC. In diesen mehr oder weniger gleichberechtigten Volumen-Cluster wurde akkumuliert. Die Käufer stocken ihre Long-Positionen auf oder die Verkäufer ihre Shortpositionen. Diese Volumen-Cluster bieten an den Folgetagen (von oben kommend) Unterstützung, denn die Käufer werden ihre Long-Positionen verteidigen, bzw. (von unten kommend) Widerstand, denn die Verkäufer werden ihre Short-Positionen verteidigen.
B-Profile: Das ist eine Variante des I-Profiles, es hat zwei ungefähr gleich große Volumen-Cluster. Beim Market Profile® nennt sich das ein Double Distribution Day. Das I-Profile vom 6. Januar 2020 kann auch als B-Profile bezeichnet werden.
Anwendungs-Varianten
Mit der entsprechenden Chart-Software kann ein Volume Profile zum Beispiel für einen genau definierten Zeitraum erstellt werden oder bezogen auf eine bestimmte Zeiteinheit.
In Abbildung 1 wurde ein flexibles Volume Profile für die Aufwärtsbewegung vom 01.08.2019 - 13.12.2019 berechnet. Es wurden die in diesem Zeitraum für jeden Tick gehandelten Volumina in einem Volume Profile kumuliert.
In Abbildung 5 wurde ein fixes Volume Profile für jeden Handelstag erstellt, Basis ist ein H1 Chart. Für jeden Handelstag wurde ein Volume Profile berechnet.
Wer sich nur auf die Tageskerzen und ein minimalistisches Volume Profile konzentrieren möchte, der kann das natürlich auch. So kann in Abbildung 6 auf einen Blick die Tages-Candle, der POC und das Volume Profile Pattern analysiert werden. Basis ist der Tageschart des FDAX vom 26.11.2019 – 10.01.2020.
Interpretation des Volume Profile
Angenommen, wir arbeiten mit einem Daily Volume Profile (unabhängig davon in welcher Zeiteinheit der Candlestickchart eingestellt ist), dann werden immer der POC, das VAH und VAL usw. vom Vortag für die Handelsentscheidung mit verwendet. Das heutige Volume Profile ist höchst dynamisch und die Marken verändern sich entsprechend der Handelsaktivität.
Nicht ohne Grund hat Charles Dow bereits vor über 100 Jahren geschrieben, dass das Volumen ein sekundärer, aber wichtiger Faktor bei der Bestätigung von Kauf- oder Verkaufssignalen ist. Volume must go with the Trend!
Oder etwas anders formuliert: Volume is the truth behind price action!
Die klassischen Methode, das Volumen pro Zeiteinheit als Balkendiagramm in einem separaten Indikatorenfenster anzuzeigen, bietet nur einen groben Überblick über das Verhalten der relevanten Marktteilnehmer. Wir sehen zum Beispiel, dass am Verfallstag oder zur Stunde eines Zinsentscheids einer Zentralbank sehr viel gehandelt wurde - was auch zu erwarten ist - mehr aber auch nicht.
Mit dem Volume Profile hingegen sehen wir, welcher Preis mit viel oder wenig Volumen gehandelt wurde - einem Röntgenblick gleich, der genau zeigt, zu welchem Preis akkumuliert oder auch distributiert wurde.
Die Preisbereiche mit hohem Volumen sind der POC und die HVNs. Die Marktteilnehmer haben diese Preise „akzeptiert“, zu diesem Zeitpunkt auch als fair betrachtet und entsprechend viel darauf gehandelt. Das impliziert, dass Positionen aufgebaut oder auch abgebaut wurden. Diese fungieren am Folgetag als relevante Unterstützungs- und/oder Widerstandszonen. Die Bullen werden die Unterstützungen verteidigen und die Bären die Widerstände.
Die Preisbereiche mit geringem Volumen sind die LVNs. Diese Preise wurden von den Marktteilnehmern als unfair bewertet, sie wurde abgelehnt und schnell durchgehandelt. Diese abgelehnten Preise = LVNs können als potenzielle Einstiegszone verwendet werden, mit Kursziel akzeptiertem Preis = HVN.
Weil:
- die in der Vergangenheit abgelehnten Preise (LVN) haben die Tendenz, wieder abgelehnt zu werden - sie werden erneut schnell durchgehandelt und
- die in der Vergangenheit akzeptierten Preise (HVN) haben die Tendenz, erneut akzeptiert zu werden - der Markt stoppt seine Bewegung und konsolidiert.
Auch die Value Area bietet support/resistance und kann für Handelsstrategien verwendet werden.
Die Value Area beinhaltet ca. 70% des gehandelten Volumens um den POC. Der POC ist das Zentrum der Wohlfühlzone für Käufer und Verkäufer. An einem D-Day ist der Markt in Balance, Käufer und Verkäufer haben ein Pattern ausgebildet, das einer idealen Gaußschen Glockenkurve entspricht (Abbildung 7).
Für die Value Area gelten folgende Regeln:
- Eröffnet der Markt im Bereich der Value Area vom Vortag, so sind sich die Marktteilnehmer über den Preisbereich einig und der Markt tendiert dazu eine Range auszubilden.
- Öffnet der Markt über dem VAH vom Vortag, sind die Bullen im Vorteil. Öffnet der Markt unter dem VAL, sind die Bären im Vorteil.
Voraussetzung für die nun vorgestellte Strategie ist, dass sich der Markt in einer Konsolidierung befindet, also trendlos vor sich hin dümpelt. Diese Situation ist in Abbildung 8 beim FDAX gezeigt. Eröffnet der Markt am folgenden Handelstag zwischen POC und VAH, wird die Short-Strategie getriggert: Am VAH des Vortages wird ein Stopp-Sell platziert, der Stop-Loss wird knapp über dem Vortages-Hoch und der Take-Profit wird am VAL des Vortages platziert. Dann heißt es abwarten … und in Abbildung 9 ist die Position in den Gewinn gelaufen.
Für die Long-Strategie vice versa: Der Markt konsolidiert und eröffnet dann zwischen dem POC und dem VAL des Vortages. Es wird am VAL ein Stop-Buy platziert, der Stop-Loss wird knapp unter das Vortages-Tief und der Take-Profit am VAH des Vortages platziert.
Fazit
Mit dem Volume Profile werden die beiden treibende Kräfte einer Marktbewegung angezeigt:
- Preis
- Volumen
Am POC ist der Markt im Gleichgewicht, in Balance, es ist die Wohlfühlzone der dominanten Käufer und Verkäufer, denn zu diesem Preis gab es den meisten Umsatz. Außerhalb der Value Area ist der Markt in „imbalance“ (im Ungleichgewicht) und unfair. Für die Käufer zu teuer und für die Verkäufer zu billig. Ziel der Marktteilnehmer ist es, wieder in der Wohlfühlzone zu handeln. Verändern sich allerdings die Rahmenbedingungen, wird eine neue Wohlfühlzone gesucht – und in der Regel auch gefunden.
Die fertig ausgebildeten Volume Profiles des Vortages / der Vorperioden bilden Unterstützungen und Widerstände aus, an denen sich die großen Marktteilnehmer orientieren. Mit dem Volume Profile kann das Öffnen und Schließen von Positionen besser getimed werden.
Das Volume Profile ist ein um das Volumen ergänztes Market Profile®. Es wird die treibende Kraft hinter einer Bewegung – das Volumen – als horizontales Balkendiagramm angezeigt. Beim Volume Profile wird das Volumen mit dem Preis verankert und bietet so einen einzigartigen Blick in das Handelsgeschehen.
Mit dem Volume Profile können Sie erkennen, welche der großen Marktteilnehmer (Bullen oder Bären) gerade am Drücker sind, ob sich der Markt mit größerer Wahrscheinlichkeit seitwärts bewegen wird, oder ob ein Ausbruch ansteht.
Nicht jede Chartsoftware bietet das Volume Profile an. Achten Sie bei der Auswahl der Kursversorgung darauf, dass Tickdaten zur Verfügung stehen. Mit aggregierten Volumen-Daten ist das Volume Profile ungenau, wenn nicht sogar falsch.