Leo­nar­do da Pisa, auch Fibo­nac­ci genannt (* um 1180 in Pisa, † um 1241), ist der bedeu­tends­te Mathe­ma­ti­ker des Mit­tel­al­ters. Über die Bio­gra­phie Fibonacci’s ist nur wenig bekannt. Der Kauf­mann­sohn bereis­te Nord­afri­ka und Ara­bi­en und lern­te nicht nur das Rech­nen mit den neun indo-ara­bi­schen Zif­fern, son­dern auch die Null ken­nen. In Euro­pa wur­de zu die­ser Zeit noch mit römi­schen Zif­fern gerech­net, mit wel­chen kei­ne höhe­re Mathe­ma­tik mög­lich war – ein ech­ter Hemm­schuh für die Wei­ter­ent­wick­lung der Wis­sen­schaf­ten in der dama­li­gen Zeit. In sei­nem Haupt­werk „Liber Abba­ci“ (1202) stell­te er der latei­nisch spre­chen­den Welt die Vor­zü­ge der neun indo-ara­bi­schen Zif­fern und der Null vor und eta­blier­te das noch heu­te ver­wen­de­te Zah­len­sys­tem im mit­tel­al­ter­li­chen Europa.

Die Fibo­nac­ci-Zah­len­fol­ge ist eine mathe­ma­ti­sche Fol­ge nicht nega­ti­ver, gan­zer Zah­len, die durch das rekur­si­ve Bil­dungs­ge­setz defi­niert wird:

\( f_n = f_{n-1} + f_{n-2}\)

für

\( {n \ge 2}\)
\( f_0 = 0 \)
\( f_1 = 1 \)

Die bei­den ers­ten Zah­len 0 und 1 wer­den vor­ge­ge­ben und jede wei­te­re Zahl ist die Sum­me ihrer bei­den Vorgänger.
0+1=1; 1+1=2; 1+2=3; 3+2=5; 5+3=8; 8+5=13; 13+8=21; 21+13=34 usw .….

Dar­aus ergibt sich die Fol­ge 1, 2, 3, 5, 8, 13, 21, 34, 55, 89, 144, 233, 377, 610, 987.…

Die Zah­len­fol­ge hat inter­es­san­te Eigenschaften:

Das Ver­hält­nis einer Zahl zur nächst höhe­ren Zahl beträgt rund 0,618. In eine simp­le For­mel gepackt, sieht das so aus:

\(  \frac{n}{n+1}=0,618 \)

Der Quo­ti­ent der Divi­si­on (n/n+1) nähert sich der Zahl 0,618. In der der Mathe­ma­tik wird das als Grenz­wert oder Limes der Fol­ge bezeich­net. Die mathe­ma­tisch kor­rek­te For­mel für die Berech­nung des Grenz­wer­tes sieht fol­gen­der­ma­ßen aus:

\( \lim_{n\to\infty} \ \frac{a_n}{a_{n+1}} \)

Das Ver­hält­nis einer Zahl zur nächst nied­ri­ge­ren Zahl beträgt rund 1,618.
Der Kehr­wert von 1,6180 ist 0,6180.
Das Ver­hält­nis zwi­schen den jeweils über­nächs­ten Zah­len beträgt rund 0,382 in auf­stei­gen­der und 2,618 in abstei­gen­der Richtung.
Je wei­ter die Rei­he fort­schrei­tet, des­to mehr nähert sich die­ses Ver­hält­nis der Zahl Phi Φ, einer irra­tio­na­len Zahl mit dem Wert 1,618033988.…
Hin­ter Phi Φ ver­birgt sich die „Gol­de­ne Zahl“, auch unter dem „gol­de­nen Schnitt“ bekannt (sie­he Abbil­dung 1). Das (klei­ne) phi φ = 0,618… ist der Kehr­wert vom (gro­ßen) Phi Φ.

Beim gol­de­nen Schnitt wird eine Stre­cke L so zwei­ge­teilt, dass sich das grö­ße­re Seg­ment zum klei­ne­ren Seg­ment so ver­hält wie die Sum­me aus bei­den zum grö­ße­ren Seg­ment: a ver­hält sich zu b wie (a + b) zu a.

\(  \frac{a}{b}= \frac{a+b}{a} \)
Abbil­dung 1

Der gol­de­ne Schnitt wird seit der Anti­ke in der Archi­tek­tur ver­wen­det, eben­so in der Bild­haue­rei und Malerei.

Abbil­dung 2

Zurück zu den Fibo-Zahlen:
In einer klei­nen Über­sicht (Abbil­dung 2) dar­ge­stellt erge­ben sich fol­gen­de Verhältnisse:

In die­ser Tabel­le (Abbil­dung 3) sind die Ver­hält­nis­se der Fibo-Zah­len berech­net. Die rot-gedruck­ten sind die wichtigsten.

Abbil­dung 3
 Auch in der Natur tau­chen die Fibo-Zah­len mit gro­ßer Regel­mä­ßig­keit auf.
Hier nur eini­ge Beispiele:
Bei einem Tan­nen­zap­fen oder einem Pini­en­zap­fen, einer Ana­nas oder der Blü­te einer Son­nen­blu­me gibt es rechts­dre­hen­de und links­dre­hen­de, kon­zen­tri­sche Spi­ra­len. Die Anzahl der Spi­ra­len sind immer zwei Nach­bars­zah­len aus der Fibo­nac­ci Zah­len­fol­ge. Der Auf­bau der Scha­le eines Nau­ti­lus ent­spricht einer gol­de­nen Spi­ra­le. Bei einer gol­de­nen Spi­ra­le wird als Stei­gung das Tei­lungs­ver­hält­nis des gol­de­nen Schnitts verwendet.

Verwendung von Fibonacci-Zahlen und Fibonacci-Verhältnissen in der Technischen Analyse

Zum einen wer­den die Fibo­nac­ci-Zah­len in viel­fäl­ti­ger Wei­se in der Tech­ni­schen Ana­ly­se verwendet.

  • Für die Ein­stel­lun­gen bei Indi­ka­to­ren oder Oszil­la­to­ren wer­den Fibo-Zah­len verwendet: 
    • Statt eines 20er SMA's wird ein 21er verwendet.
    • Beim MACD wer­den statt der Stan­dard­ein­stel­lung (12, 26 und 9) die Peri­oden (21, 34 und 8) verwendet.
    • Bei den Bol­lin­ger-Bän­dern wer­den statt einem 20er SMA und 2 Stan­dard­ab­wei­chun­gen ein 21er SMA und 1,618 Stan­dard­ab­wei­chun­gen verwendet.

In die­ser kur­zen Lis­te wur­den nur weni­ge Bei­spie­le genannt. Prin­zi­pi­ell lässt sich jeder Indi­ka­tor oder Oszil­la­tor mit Fibo-Zah­len modifizieren.

  • Zum ande­ren wer­den die Fibo­nac­ci-Ver­hält­nis­se für die Bestim­mung von Kor­rek­tur­le­vels und Kurs­zie­len ver­wen­det. Hin­ter­grund die­ser Über­le­gung ist, dass jede Trend­be­we­gung irgend­wann kor­ri­giert wird. Ob das nun ein lang­fris­ti­ger, pri­mä­rer Trend ist oder ein kurz­fris­ti­ger, ter­tiä­rer Trend. Irgend­wann setzt eine Kor­rek­tur­be­we­gung ein und die Wahr­schein­lich­keit, dass die­se Kor­rek­tur bei einem Fibo­nac­ci-Ver­hält­nis endet, ist recht groß.
  • Die Kor­rek­tur­le­vels (= Retra­ce­ments) sind die
  • 23,6%
  • 38,2%
  • 50%
  • 61,8%
  • 78,6%

wobei die 38,2% und die 61,8% die rele­van­tes­ten Kor­rek­tur­le­vels sind. Kri­ti­ker der Fibo-Ver­hält­nis­se füh­ren immer an, dass die Levels nie exakt getrof­fen wer­den. Das ist sicher rich­tig - nur: Wenn wir eine Unter­stüt­zungs- oder Wider­stands­li­nie ein­zeich­nen, dann wird immer eine gewis­se "Unschär­fe" tole­riert. Auch die­se Lini­en wer­den sel­ten exakt getrof­fen, son­dern leicht unter- bzw. über­schrit­ten. Und was Unter­stüt­zungs- oder Wider­stands­li­ni­en zuge­bil­ligt wird, soll­te der Fair­ness hal­ber auch Fibo-Kor­rek­tur­le­vels zuge­stan­den werden.
Dies soll anhand von zwei Bei­spie­len ver­deut­licht werden.
In Abbil­dung 4 der DAX, Wochen­chart, 2003 bis 2009. Die Auf­wärts­be­we­gung von März 2003 bis Juli 2007 wur­de um ziem­lich genau 76,4% bis März 2009 korrigiert.
In Abbil­dung 5 der EURUSD, Wochen­chart, 2008 bis 2010. Die schar­fe Abwärts­be­we­gung von Juli 2008 bis Novem­ber 2008 wur­de um 61,8% korrigiert.

Abbil­dung 4 DAX Wochenchart
Abbil­dung 5 EURUSD Wochenchart

Die Erwei­te­run­gen (= Exten­si­ons) sind die

    • x 1,618
    • x 2,618
    • x 4,235
    • x 6,857

wobei die 1,618 und die 2,618 die rele­van­tes­ten Kurs­zie­le sind. Oder ande­res aus­ge­drückt: 162% und 262%.

Zur Ver­deut­li­chung ist die Kurs­ziel­be­rech­nung mit Fibo­nac­ci-Exten­si­ons an einem Bei­spiel dar­ge­stellt, als „gemal­tes“ Sche­ma in Abbil­dung 6 und als „ech­tes“ Bei­spiel in Abbil­dung 7.

Zum Sche­ma in Abbil­dung 6:

Abbil­dung 6 Sche­ma­ti­sche Darstellung
  • Die Auf­wärts­be­we­gung (von Punkt 1 nach Punkt 2) ent­spricht 100%.
  • Die­se Bewe­gung wird kor­ri­giert (Punkt 2 nach Punkt 3).
  • In der Regel endet die Kor­rek­tur an einem Fibonacci-Korrekturlevel.
  • Nach Punkt 3 wird die Auf­wärts­be­we­gung wie­der aufgenommen.
  • Für die Berech­nung des Kur­zie­les wer­den 162% der ursprüng­li­chen Auf­wärts­be­we­gung (von Punkt 1 nach Punkt 2) an Punkt 3 nach oben abgetragen.
  • In einem Abwärts­trend gilt das vice versa.
 Um es mit einem „ech­ten“ Bei­spiel zu ver­deut­li­chen, ist in Abbil­dung 7 EURUSD im Tages­chart abge­bil­det. Das ers­te Kurs­ziel mit 162% wur­de etwas über­schrit­ten. Nach einer wei­te­ren Kor­rek­tur wur­de sogar das zwei­te Kurs­ziel von 262% erreicht. (Die mar­gi­na­le Dif­fe­ren­zen in der 4. Nach­kom­ma­stel­le sind das Ergeb­nis von Rundungsdifferenzen)
Abbil­dung 7 EURUSD Tageschart
  • Punkt 1 = 1,1874
  • Punkt 2 = 1,2484
  • Punkt 3 = 1,2149 (die Auf­wärts­be­we­gung wur­de damit um 50% korrigiert)
  • 100% = 0,061 Pips (1,2484 – 1,1874)
  • 162% = 0,099 Pips (0,061 * 1,62)
  • 262% = 0,1598 Pips (0,061 * 2,62)
  • Kurs­ziel 1 = Punkt 3 + 162% = 1,3139 (1,2149 + 0,099)
  • Kurs­ziel 2 = Punkt 3 + 262% = 1,3747 (1,2148 + 0,1598)

An die­ser Bewe­gung lässt sich die Her­kunft die­ser Vari­an­te 1 der Kurs­ziel­be­stim­mung erken­nen: Elliott-Waves. Die Bewe­gung in EURUSD vom Juni 2010 bis Anfang Okto­ber 2010 ent­spricht einem 5-teil­i­gen Impuls. Die Wel­le 3 erreicht in der Regel 162% Aus­deh­nung der Wel­le 1. Wel­le 3 wur­de in die­sem kon­kre­ten Bei­spiel um 62% kor­ri­giert, Wel­le 5 erreich­te dann 100% von Wel­le 3. Auf­grund der Ver­hält­nis­treue der Fibo­nac­ci-Exten­si­ons erreicht die Auf­wärts­be­we­gung 262% von Wel­le 1.