Artikel Peter Becker
Der Footprint-Chart wird in Deutschland immer populärer und erfreut sich wachsender Beliebtheit. Die Chartdarstellung wir in der Regel mit dem neumodischen Wort „Orderflow“ in Verbindung gebracht und wird sehr verkompliziert! Der Footprint-Chart zeigt in seiner Darstellung nichts anderes als alle ausgeführten Aufträge (Orders) pro Preis (Bid / Ask oder Geld- / Briefkurs). Da der Footprint-Chart eine Erfindung der US-Amerikaner ist, kommen wir um Anglizismen nicht rum.
Im Artikel werden zur Vereinfachung nur die Ausdrücke Bid und Ask verwendet:
- Der Bid-Preis ist der Geldkurs, der niedrigste Preis, zu dem jemand bereit ist zu Kaufen. In der Bid-Spalte (links) sind demnach alle Kauf-Orders aufgelistet.
- Der Ask-Preis ist der Briefkurs oder auch „offer“ genannt, der niedrigste Preis, zu dem jemand bereit ist zu Verkaufen. In der Ask-Spalte (rechts) sind also alle Verkaufs-Orders aufgelistet.
Sie sehen nachfolgend in Abbildung 1 ein Standard Orderbuch mit Erklärung. Es ist wichtig im Vorfeld folgendes zu wissen:
- Das Orberbuch zeigt die noch nicht ausgeführten Aufträge an ( Liquidität )
- Der Footprint zeigt die ausgeführten Orders ausgehend vom Orderbuch an

Es gibt verschiedene Plattformen, die einen Footprint-Chart darstellen können. Die gängigsten und in Deutschland bekannten Plattformen sind NinjaTrader™ und ATAS™. Die Chart Plattform SierraChart™, welche ich hauptsächlich benutze, ist in Deutschland eher unbekannt, obwohl diese seit 1995 auf dem Markt erhältlich ist. Der Bedienkomfort ist nicht auf dem neuesten Stand der Technik und es erfordert einiges an Zeit, um sich in diese Plattform einzuarbeiten.
Sie sehen in Abbildung 2 einen Footprint-Chart in der Darstellung 8 Range. Diese Darstellung entspricht einem Range-Bar-Chart. Bei einem klassischen Candlestickchart wird eine Kerze über ein bestimmtes Zeitintervall definiert. In einem Stundenchart werden die Preise dieser einen Stunden als Kerze / Bar dargestellt. Bei einem Range-Bar-Chart wird eine Kerze / Bar über die Preisspanne definiert. Wird also beim DAX zum Beispiel die Preisspanne einer Bar mit 20 Punkten definiert, so wird immer dann eine neue Bar gezeichnet, wenn die 20 Punkte „voll“ sind – egal, ob das in wenigen Sekunden oder vielen Stunden geschieht. Eine neue Kerze wird also nicht durch das bloße Voranschreiten der Zeit gebildet, sondern erst dann, wenn das Preiskriterium erfüllt ist. Diese Darstellung ist also zeitunabhängig und fokussiert sich auf die Orders (Aufträge) welche pro Preis ausgeführt wurden.

Der blaue Pfeil markiert das Open des Bars und der orangene Pfeil das Close. Wir können also ähnlich wie in einem Kerzenchart das Open und das Close erkennen. Das Low der Kerze ist offensichtlich, ebenso das High. Die Darstellung auf Range-Basis ermöglicht folgende Vorteile in der Betrachtung des Footprints: die Kerzen sind immer gleichgroß! In diesem konkreten Beispiel umfassen sie 8 Ticks = 0,25 Punkte des S&P 500 Futures.
Im Footprint-Chart sind Range-Bars die bessere Wahl, denn in einem zeitbasierten Chart haben die Kerzen immer eine andere Größe und sind somit für das Trading mit dem Footprint-Chart nicht zu empfehlen.
Die Entstehung des Footprint-Charts hat seinen Ursprung aus dem Orderbuch oder auch DOM (Depth of Market), vereinzelt in wissenschaftlichen Publikationen LOB (Limit Order Book) genannt. Der Footprint-Chart macht nichts anderes, als bei jede ausgeführte Order visuell sichtbar zu machen. Dies ermöglicht also, die ausgeführten Orders zu analysieren. Sie sehen schon, dass die Anwendung sehr vielseitig ist und einige Parallelen zur bekannten Technischen Analyse aufweist!

Das Augenmerkt richten Sie bitte im Orderbuch auf den Preisbereich zwischen 3296.25 – 3296.00 Punkte. Sie sehen hier 54 Kontrakte, ausgeführt auf dem Ask (das waren als 54 Käufe), bei verbleibenden 260 Kontrakten (also noch offene, zu diesem Preis limitierte Verkäufe) im Orderbuch. Es wurden also deutlich weniger der zu diesem Preis limitierten Verkaufsorders ausgeführt als eingestellt wurden. Der Bereich bei 3296.00 Punkte zeigt 58 Kontrakte auf dem Bid Preis (= zu diesem Preis limitierte Kauforders) und 143 Kontrakte auf dem Ask Preis (= zu diesem Preis limitierte Verkaufsorders).
Der Footprint (im kleinen Bildausschnitt links) zeigt exakt die gleichen Orders, allerdings die zu diesem Preis kumulierten ausgeführten Orders dieser 8 Range-Bar. Der Footprint speichert alle gehandelten Orders und formt erst einen neuen Bar ab dem 9 Preis. Das ist auch der Grund wieso Sie hier 9 Preise sehen und nicht 8. Die Berechnung der Range-Größe ist sehr einfach erklärt: Der S&P 500 Future wird pro Punkt mit 4 Ticks gerechnet, die Berechnung ist 8 dividiert durch 4. Der neue Bar wird also gebildet, wenn der nächste Preis 2 Future-Punkte höher oder tiefer gehandelt wird.
Wie kann man jetzt den Footprint verwenden in seinem bewährten Handelsansatz?
Das richtet sich primär nach der Herangehensweise, aber ich habe für diesen Artikel etwas herausgesucht was viele von Ihnen sicherlich kennen werden: eine Reversal Strategie mit Bollinger Bändern. Der Kollege Wieland Arlt hat eine sehr interessante Strategie, genannt Expander Strategie, vorgestellt. Sollten Sie diese Strategie nicht kennen empfehle ich diverse freie Webinare in denen Wieland Arlt diese Strategie erklärt.
Ich möchte Ihnen in diesem Artikel kombiniere ich die Bollinger Band Expander Strategie mit dem Footprint-Chart. Der Chart ist ein 1-Minuten Kerzenchart.

Sie sehen in Abbildung 4, dass der die Lunte außerhalb des unteren Bollinger Bands ein Zeichen von Schwäche signalisiert. Die nächste Kerze ist die rosa eingefärbte Inside Bar, diese signalisiert eine mögliche Trendwende. Die Kriterien sind also sehr gut für einen Reversal-Trade. Was macht uns aber jetzt „sicher“, dass der Kurs eine Umkehr einleitet? Betrachten wir uns hierzu den Footprint-Chart in Abbildung 5.

Sie sehen denselben Preisbereich wie in Abbildung 4. Die Lunte im 1-Minuten Chart ist nicht so ausgeprägt im Footprint-Chart in Range-Einstellung, aber es ist erkennbar, dass das Low des Range-Bar nur 4 gehandelte Kontrakte auf dem Bid (also 4 Käufe) und 0 gehandelte Kontrakte auf dem Ask (also keine Verkäufe) aufweist. Der Footprint zeigt also eine klare Abschwächung der Abwärtsbewegung – genauso wie die Inside Bar nach der langen unteren Lunte im Candlestickchart!
Die Kombination beider Methoden – der alt bewährten und erprobten mit der „neuen“ und ungewohnten Darstellung – liefert uns also eine sehr valide Bestätigung der Trendumkehr.
Sie sehen, dass der Footprint auf nahezu jede Strategie anwendbar ist, wenn man folgende Sachen verinnerlicht und verstanden hat:
- Wie entsteht ein Preis und
- Was bedeutet Interaktion zwischen Bid und Ask
Ich hoffe der Artikel hat Ihnen eine neue, spannende, Sichtweise aufgezeigt und Sie widmen sich vielleicht dieser Art des Tradings.
Beste Grüße
Peter Becker