Revival der Telekomwerte

Von Fre­de­rik Alt­mann *)
Bör­sen-Zei­tung, 19.7.2023

Nach einer star­ken Kurs­ent­wick­lung im ers­ten Quar­tal die­ses Jah­res haben die euro­päi­schen Tele­kom­wer­te in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ihren Schwung ver­lo­ren. Nun könn­te aber die Renais­sance der Tele­kom­wer­te anstehen.

Nach einer star­ken Kurs­ent­wick­lung im ers­ten Quar­tal die­ses Jah­res haben die euro­päi­schen Tele­kom­wer­te in den ver­gan­ge­nen Mona­ten ihren Schwung ver­lo­ren. Der Bran­chen­in­dex Sto­xx Euro­pe 600 Tele­com­mu­ni­ca­ti­ons-Index büß­te seit Mit­te April bis zu 14% ein, die Gewin­ne der ers­ten Mona­te wur­den kom­plett wie­der abge­ge­ben. Erneut stei­gen­de Zin­sen und auch die Sor­ge um neue Kon­kur­renz durch den Tech-Rie­sen Ama­zon haben unter ande­rem die Papie­re ausgebremst.

Nun könn­te aber die Renais­sance der Tele­kom­wer­te anste­hen. Das Gesche­hen auf der Zins­sei­te beru­higt sich wie­der etwas und vie­le Ana­lys­ten sehen kei­ne unmit­tel­ba­re Gefahr durch Ama­zon für den Sek­tor. Tech­nisch ste­hen die Aus­sich­ten auf eine Gegen­re­ak­ti­on nach oben eben­falls gar nicht schlecht. Die rela­tiv schlech­te Ent­wick­lung der ver­gan­ge­nen Mona­te könn­te eine Ein­stiegs­ge­le­gen­heit bie­ten. Grund­vor­aus­set­zung ist aber, dass die Mar­ke von 187 Punk­ten hält.

Unter­stüt­zung bei 187 Punkten

Im Fokus steht tech­nisch die Unter­stüt­zung von 187 Punk­ten, die seit Okto­ber 2020 dem euro­päi­schen Tele­kom-Index in Kor­rek­tur­pha­sen immer wie­der Halt gebo­ten hat. Von die­sem Niveau aus konn­ten sich die Kur­se in der Bran­che in den ver­gan­ge­nen Jah­ren stets deut­lich erholen.

Extrem­wer­ten im Chart kommt in der tech­ni­schen Ana­ly­se gene­rell hohe Bedeu­tung zu, sie wer­den bei einer Ana­ly­se zuerst betrach­tet. Denn an die­sen Punk­ten hat sich das Ver­hält­nis von Ange­bot und Nach­fra­ge gewan­delt. Beim Tele­ko­m­in­dex haben bei 187 Zäh­lern die Ver­käu­fer stets ihre Domi­nanz ver­lo­ren, die Käu­fer konn­ten jeweils die Über­hand gewin­nen. Die Kur­se fin­gen an zu steigen.

Län­ger­fris­ti­ges Potenzial

Die zwei Tief­punk­te vom Okto­ber 2020 und dem Okto­ber 2022 könn­ten bei 187 Punk­ten nun län­ger­fris­tig ein Dop­pel­tief im Chart aus­bil­den. Zur Bestä­ti­gung die­ser Umkehr­for­ma­ti­on muss der Index aber auch über sei­nen (zwei­fa­ches) Zwi­schen­hoch bei 245 Zäh­lern stei­gen. Mit dem Anstieg über die­sen Wider­stand setz­ten Tele­kom­ti­tel ein län­ger­fris­ti­ges Poten­zi­al bis 303 Punk­te frei.

Solch ein lang­fris­ti­ger Befrei­ungs­schlag ist von heu­te aus gese­hen aller­dings noch weit ent­fernt. Aber auch kurz­fris­tig gibt es Chan­cen, einen Dop­pel­bo­den als chart­tech­ni­sches Sprung­brett zu nut­zen. Das Tief zum Jah­res­wech­sel und das jüngs­te Tief lie­gen in etwa auf einem Niveau. Mit einem Kurs­an­stieg über 222 Punk­te könn­te auch hier ein Dop­pel­bo­den kom­plet­tiert wer­den, mit dem Kurs­ziel etwas über dem län­ger­fris­ti­gen Wider­stand bei 245 Punk­ten. Wie ein sol­cher Ver­lauf mus­ter­gül­tig gelingt, zeig­te der Anstieg über 206 Punk­te im Febru­ar. Hier wur­de ein dop­pel­ter Boden vom Okto­ber und Dezem­ber 2022 voll­endet mit dem Ziel 223, das am April-Hoch fast genau abge­ar­bei­tet wurde.

Über die­se posi­ti­ven Mög­lich­kei­ten hin­aus, die sich aus einem künf­ti­gen, freund­li­chen Kurs­ver­lauf der euro­päi­schen Tele­kom-Wer­te tech­nisch erge­ben kön­nen, gibt es aktu­ell auch wei­te­re posi­ti­ve chart­tech­ni­sche Signa­le. Ein gutes Zei­chen ist, dass die Unter­stüt­zung bei 187 Punk­ten mit den jüngs­ten Tiefs des Index über 189 Punk­ten gar nicht mehr erreicht wur­den. Das spricht durch­aus dafür, dass die bespro­che­ne Schlüs­sel­un­ter­stüt­zung für den Index wei­ter­hin hal­ten sollte.

Auf Niveau von 2020

Die 40-Wochen-Linie, die in etwa dem Ver­lauf des viel beach­te­ten glei­ten­den Durch­schnitt­kur­ses der ver­gan­ge­nen 200 Han­dels­ta­ge ent­spricht, bewegt sich indes auf dem Niveau des Jah­res 2020 seit­wärts. Dabei sind die Kur­se im aktu­el­len Abschwung bereits unter die­se Durch­schnitts­li­nie gerutscht. Gene­rell schwan­ken die Kur­se in regel­mä­ßi­gen Abstän­den um die­se Linie, immer wie­der unter­bro­chen von Über­trei­bungs­pha­sen nach oben oder unten. Dem­nach spie­geln Kur­se unter die­ser Linie auch eine gewis­se „Unter­be­wer­tung“ im nor­ma­len Markt­um­feld wider. Glei­ten­de Durch­schnitts­li­ni­en üben gene­rell eine gewis­se Anzie­hungs­kraft auf die Kur­se aus. Dies ist ein wei­te­res Argu­ment für Tele­kom­wer­te, das eine Reak­ti­on nach oben begüns­ti­gen können.

Letzt­end­lich hängt die künf­ti­ge Kurs­ent­wick­lung der euro­päi­schen Tele­kom­wer­te aus tech­ni­scher Sicht aber ent­schei­dend von der Ver­tei­di­gung der Unter­stüt­zung ab, sie steht und fällt ent­spre­chend an der Mar­ke von 187 Punk­ten. Wenn die­se Unter­stüt­zung noch­mals (signi­fi­kant) unter­schrit­ten wer­den soll­te, dann ist für Inves­to­ren erneu­te Vor­sicht ange­bracht. Nach­hal­tig heißt in die­sem Fall mit einem gewis­sen Puf­fer bei­spiels­wei­se mit zwei Schluss­kur­sen unter der Mar­ke oder mit einem gewis­sen Abstand von etwa 2%, je nach Risi­ko­to­le­ranz des Anlegers.

Klas­si­sches Verkaufssignal

Posi­tio­nen soll­ten unter die­sem Chart-Niveau abge­si­chert wer­den. Mit die­sem klas­si­schen Ver­kaufs­si­gnal soll­te der Druck auf die euro­päi­schen Tele­kom­mu­ni­ka­ti­ons­wer­te unter 187 Zäh­lern noch ein­mal anstei­gen. Der nächs­te Anlauf­punkt wäre dann das „Coro­na-Tief“ vom März 2020 bei 164 Punk­ten im Sto­xx Euro­pe 600 Tele­com­mu­ni­ca­ti­ons-Index. Solan­ge aber die Unter­stüt­zung wei­ter hält, bie­tet sich aus tech­ni­scher Sicht aktu­ell ein güns­ti­ges Chan­ce-Risi­ko-Ver­hält­nis bei den euro­päi­schen Tele­kom-Akti­en.
*) Fre­de­rik Alt­mann ist Invest­ment­ana­lyst bei Alpha Wertpapierhandel.


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