Range Bars

Range Bars - eine zeitunabhängige, preisbasierte Chartart

Ran­ge Bars sind auch unter ande­ren Namen bekannt: Momen­tum Bars, On Bar Method, New Ran­ge Bar, Brea­kout Bars oder – eine deut­sche Vari­an­te – Span­ne abso­lut oder Spanne %.

Doch der Rei­he nach: Die gra­fi­sche Dar­stel­lung des Prei­ses in einem Chart ist die Basis der tech­ni­schen Ana­ly­se. Dabei wird der Preis auf der ver­ti­ka­len Ach­se abge­tra­gen und die Zeit auf der hori­zon­ta­len Ach­se. Wobei die Zeit in einem fest vor­ge­ge­be­nen Inter­vall, zum Bei­spiel 5 Minu­ten oder 1 Tag, vor­an­schrei­tet. Eine Ker­ze oder ein Bar (= Bal­ken) beinhal­tet also die Preis­span­ne die­ses Zeit­in­ter­valls. Es gibt eini­ge Chart­va­ri­an­ten, bei wel­chen die Zeit eine unter­ge­ord­ne­te Rol­le spielt, so bei einem Point&Figure Chart und auch den Ren­ko Charts. Hier wird zwar auch die Zeit auf der hori­zon­ta­len Ach­se abge­tra­gen, aller­dings nicht in einem fest vor­ge­ge­be­nen Inter­vall, son­dern erst, wenn das ent­spre­chen­de Preis­kri­te­ri­um erfüllt ist.

Der bra­si­lia­ni­sche Trader und Bro­ker Vicen­te M. Nico­lel­lis Jr. war vie­le Jah­re in Sao Pao­lo tätig. Die­se Märk­te hat­ten eine hohe Vola­ti­li­tät und Nico­lel­lis über­leg­te sich, wie er die­sen Märk­ten am bes­ten gerecht wer­den konn­te. 1995 ent­wi­ckel­te er dann einen neu­en Chart­typ, die Ran­ge Bars. Bei Ran­ge Bars wird eine Ker­ze oder Bar nicht über das Zeit­in­ter­vall defi­niert, son­dern über die Preis­span­ne. Wird also beim DAX zum Bei­spiel die Preis­span­ne einer Bar mit 20 Punk­ten defi­niert, so wird immer dann eine neue Bar gezeich­net, wenn die 20 Punk­te „voll“ sind – egal, ob das in weni­gen Sekun­den oder vie­len Stun­den geschieht. Eine neue Ker­ze wird also nicht durch das blo­ße Vor­an­schrei­ten der Zeit gebil­det, son­dern erst dann, wenn das Preis­kri­te­ri­um erfüllt ist. In Seit­wärts­pha­sen, wenn sich der Preis nur ein paar Punk­te hin und her bewegt, wird kei­ne Serie klei­ner Ker­zen gezeich­net. Genau­so wenig gibt es die über­lan­gen „Wide Ran­ge Bars“, wenn es zu einem Aus­bruch kommt. „Zeit“ hat also kei­nen Ein­fluss auf die­se Chart­va­ri­an­te. Der Blick des Trad­ers fokus­siert sich auf die rei­ne Preisbewegung.

Ein Ran­ge Bar Chart lässt sich fol­gen­der­ma­ßen definieren:

  • Jede Bar hat ihre defi­nier­te maxi­ma­le Hoch-Tief Preisspanne.
  • Die Zeit­span­ne, die eine Ran­ge Bar abbil­det, kann unter­schied­lich sein. In Seit­wärts­be­we­gun­gen durch­aus Stun­den, in vola­ti­len Pha­sen auch nur weni­ge Sekunden.
  • Ech­te Ran­ge Bar Charts benö­ti­gen Tick­da­ten, d.h. die Chart­soft­ware und der ver­wen­de­te Daten­an­bie­ter müs­sen die­se Daten bereit­stel­len. Auf Grund der benö­tig­ten Daten­men­ge wer­den Ran­ge Bar Charts haupt­säch­lich im Intra­day Bereich eingesetzt.
  • Für eini­ge Chart­pro­gram­me lässt sich defi­nie­ren, ob ein neu­er Bar immer nach dem erst­ma­li­gem Errei­chen der Ran­ge oder erst beim ers­tem Über­schrei­ten der Ran­ge erzeugt wird.
  • Man muss grund­sätz­lich zwi­schen rea­len und vir­tu­el­len Ran­ge Bar Charts unterscheiden.

Vir­tu­el­le Ran­ge Bar Charts haben fol­gen­de Eigenschaften:

  • Es wird ein immer optisch geschlos­se­ner Chart erzeugt. Oft auch als „NoGap“ bezeichnet.
  • Jede Ran­ge Bar ist gleich hoch, denn sie umfasst die glei­che Preisspanne.
  • Jede Ran­ge Bar öff­net ent­we­der über oder am Hoch bzw. Tief der vor­an­ge­gan­gen Bar.
  • Jede Ran­ge Bar schließt ent­we­der an ihrem Tief oder ihrem Hoch.
  • Intra­day-Gaps wer­den meist mit „Phan­tom Bars“ gefüllt.
  • Open, High, Low, Clo­se sind oft nur „vir­tu­el­le“ Prei­se, die zu die­ser Zeit NICHT gehan­delt wurden.
  • Vie­le Indi­ka­to­ren auf vir­tu­el­le Ran­ge Bar Charts lie­fern fal­sche Ergeb­nis­se und eig­nen sich so oft nicht für Back­tests, weil nicht exis­ten­te Prei­se und/oder fal­sche Volu­men und Ticks ver­wen­det werden.

Rea­le Ran­ge Bar Charts haben fol­gen­de Eigenschaften:

  • Es wer­den aus­schließ­lich real gehan­del­te Prei­se ver­wen­det, d.h. OHLC sind ech­te Prei­se, wel­che zu die­sem Zeit­punkt auch gehan­delt wurden.
  • Jede Ran­ge Bar öff­net ent­we­der über oder am Hoch bzw. Tief der vor­an­ge­gan­gen Bar.
  • Springt der Preis über/unter die Ran­ge, ergibt sich sofort ein neu­er Bar, so dass der letz­te Bar auch ein Clo­se inner­halb der defi­nier­ten Ran­ge haben kann.
  • Alle Indi­ka­to­ren und Back­tests lie­fern kor­rek­te Ergeb­nis­se. Es kön­nen alle Mit­tel der moder­nen tech­ni­schen Ana­ly­se für Preis/Volumen/Zeit Ver­hält­nis­se ein­ge­setzt werden.

Zu beach­ten ist, dass für jedes Instru­ment eine eige­ne Preis­span­ne gefun­den wer­den muss. Um hier eine gute Wahl zu tref­fen, bie­tet sich die ATR (Avera­ge True Ran­ge) von Wel­les Wil­der an. In einem Tages­chart wird die durch­schnitt­li­che Han­dels­span­ne bestimmt und davon wird dann ein bestimm­ter Pro­zent­satz genom­men. Ein Intra­day-Trader wird eine klei­ne­re Preis­span­ne wäh­len als ein Swing-Trader oder Inves­tor. Beim DAX sind 10 oder 20 Punk­te für einen Kurz­frist-Trader eine gute Wahl, beim Euro­S­to­xx hin­ge­gen sind 5 Punk­te eine gute Preis­ag­gre­ga­ti­on. Indi­ka­to­ren kön­nen eben­so ver­wen­det wer­den wie in einem klas­si­schen Chart. Auch Chart­for­ma­tio­nen kön­nen ana­ly­siert wer­den. Die Cand­le­stick­ana­ly­se mit ihren um die 100 unter­schied­li­chen For­ma­tio­nen erüb­rigt sich fast komplett.

Wel­che Vor­tei­le bie­ten Ran­ge Bar Charts gegen­über einem klas­si­schen Cand­le­stick­chart? Es wird viel „noi­se“ also „Geräusch“ (= Seit­wärts­be­we­gung) her­aus­ge­fil­tert, Trends, Unter­stüt­zungs- und Wider­stands­zo­nen las­sen sich deut­li­cher erken­nen. Die Signa­le sind kla­re Brea­kout-Signa­le und fol­gen damit dem KISS-Prin­zip (Keep it simp­le and stupid).

Abbil­dung 1: FDAX, Preis­span­ne 30 Punkte

In Abbil­dung 1 ist der FDAX (FDXM2) mit einer Preis­span­ne von 30 Punk­ten dar­ge­stellt. Solan­ge sich der FDAX also inner­halb die­ser 30 Punk­te bewegt, bleibt es bei einer Ker­ze. Erst wenn die Span­ne von 30 Punk­ten am Hoch oder am Tief ver­las­sen wird, wird eine neue Ker­ze gebil­det. Die­se wird wie­der auf 30 Punk­te „gefüllt“, bevor die nächs­te Ker­ze begon­nen wird.

Abbildung2: FDAX im 1-Stunden-Chart

In Abbil­dung 2 ist der FDAX (FDXM2) im 1-Stun­den­chart für den glei­chen Zeit­raum dar­ge­stellt. Hier sind die Ker­zen logi­scher­wei­se unter­schied­lich groß und fast alle haben einen unte­ren und einen obe­ren Schat­ten. Im Gegen­satz zur Ran­ge-Ker­ze – die hat ent­we­der einen unte­ren oder einen obe­ren Schat­ten, aber nicht bei­des (außer die Tagesschlusskerze).

Die Anwen­dung im täg­li­chen Tra­ding ist denk­bar einfach:

  • Der Long-Ein­stieg erfolgt, wenn der Aus­bruch nach oben erfolgt, der Stopp wird knapp unter die vor­an­ge­gan­ge­ne Ker­ze gelegt.
  • Der Short-Ein­stieg erfolgt, wenn der Aus­bruch nach unten erfolgt, der Stopp wird knapp über die vor­an­ge­gan­gen Ker­ze gelegt.

Aber auch Ran­ge Bars kön­nen nicht ver­hin­dern, dass man mit Ver­lust bei einem Fehl­aus­bruch aus­ge­stoppt wird. Es macht daher Sinn, einen Trend­fol­ge­indi­ka­tor zu ver­wen­den und dann nur in Trend­rich­tung zu handeln.

Abbil­dung 3: FDAX, Preis­span­ne 10 Punkte

In Abbil­dung 3 ist der FDAX (FDXM2) mit einer Preis­span­ne von 10 Punk­ten und mit einem ein­fa­chen glei­ten­den Durch­schnitt der Peri­ode 5 dar­ge­stellt. Der Ein­stieg in Long-Rich­tung erfolgt nur dann, wenn der Kurs über dem stei­gen­den SMA liegt. Der Short-Ein­stieg erfolgt nur dann, wenn der Kurs unter dem fal­len­den SMA liegt. Hier kann jeder Trader expe­ri­men­tie­ren und eine eige­ne Stra­te­gie ent­wi­ckeln und tes­ten. Die grund­sätz­li­chen Regeln des Tra­dings dür­fen aber nicht ver­nach­läs­sigt wer­den: Eine dem Kon­to und der Risi­ko­nei­gung ange­pass­tes Posi­ti­ons- und Risikomanagement.

Ran­ge-Bars sind eine Vari­an­te der Chart­dar­stel­lung, die (lei­der) nicht sehr ver­brei­tet sind. Die hier gezeig­ten Charts wur­den mit der Nano Futur­e­S­ta­ti­on von WH Self­in­vest erstellt – eine der weni­gen Platt­for­men, die die­se Chart­art anbietet.


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